Cavtat, Kroatien:

Kurze Rede einer langen Reise


Das Bergpanorama der Dolomiten, ein wunder Hintern und eine Band, die UB40-Songs als Countryversion spielt: das bleibt als Quintessenz, wenn man mit dem Motorrad nach Cavtat fährt. Dort sitze ich beim  zweiten Bier an der Hafenpromenade und lasse die letzten drei Tage Revue passieren. Neben einigen fahrerisch erregenden Alpenpässen steht noch die kroatische Küstenstraße auf der Habenseite, die mein ADAC-Führer von 1984 zu den  weltweit führenden Küstenstraßen rechnet. Wer Motorrad fährt, sollte die mindestens einmal unter die Räder genommen haben, bevor er den Löffel oder den Führerschein abgibt. Ich habe es mehrmals getan, werde dafür aber auf das Pflanzen eines Baumes verzichten.

 

Die Band hat sich mittlerweile auf Johnny Cash und Elvis eingeschossen, was eine Gruppe irischer Touristen an den Rand der Extase treibt. Warum die nicht in Frankreich bei der gerade stattfindenden Fußballeuropameisterschaft sind bleibt obskur. Wahrscheinlich durften die Frauen das Reiseziel wählen, und die Männer haben nicht auf den Termin geachtet. So entstehen Tragödien.

 

Die Band watet derweil tapfer über Creedende Clearwater Revival bis zu Bill Haley durch alle Untiefen der Musikhistorie. Wenn man so unter Palmen sitzt, und die Lichter übers nächtliche Hafenwasser glitzern, lässt sich einiges ertragen, und vieles ist entschuldigt. Cavtat könnte das Venedig der Adria sein, wäre es nicht auf dem Granitstein des Balkans gebaut. Während das 20 Kilometer nördlich gelegene Dubrovnik schwer an der Last seiner historischen Bedeutung trägt – und Millionen kulturbeflissene Touristen über sich ergehen lässt  – hat sich Cavtat eine beneidenswert leichte Mischung aus Mondänität und Fischerromantik bewahrt. Es ist sozusagen das Nizza des Balkans. Die Promenade des Anglaises en Miniature mit angeberhaften Privatyachten trifft übergangslos auf Restauthentizität. Hier laufen tatsächlich auch noch echte Fischer auf echten Booten zum Broterwerb aus, respektive zum Fischerwerb.

 

Die Band schafft in der Zwischenzeit mühelos den Turnaround zu amerikanischen Balladen, was das britische Publikum mittels verstärkten Orderns alkoholischer Getränke quittiert. Daß sich hier viele Inseleuropäer aufhalten hat nicht nur die (aus Funk und Fernsehen) bekannten Nachteile, sondern bedingt im Gegenzug auch, dass sich das Personal der Restaurants und Bars darauf eingestellt hat, und man auf englisch bestellen und sich im Zweifelsfall sogar unterhalten kann. Ein Hoch also auf das lustige Inselvolk, das uns zwar gerade auf EU-Ebene verlassen will, sprachlich aber immerhin eine internationale Verständigungsebene geschaffen hat, von der alle profitieren. Man möchte ihnen dafür fast die zwanghaft-chronische Handtuchbelegung attraktiver Strandabschnitte nachsehen.

 

Die Musiker sind bei Bob Dylan angelangt, und in der jetzt alkoholseeligen Stimmung unter dem mediterranen Mondschein gibt es kein richtig oder falsch mehr, man lässt es ihnen durchgehen und wartet nur noch auf das zwangsweise folgende „Knocking on Heaven`s Door“, den musikalisch kleinsten gemeinsamen Nenner der westlichen Welt. Die kleinen Schiffchen im Hafen schunkeln sich im Rhythmus der Wellen schon mal darauf ein. Weil mir die 450 Landstraßenkilometer des heutigen Tages in den Knochen stecken ziehe ich ernsthaft in Betracht, den Abend aus Erschöpfung vorzeitig zu beenden. Nur um nichts zu verpassen zwinge ich mich, noch ein Bier zu bestellen und warte auf das Ende. Und dann – als völker-, gender- und jahrzehnteübergreifendes Finale kommt „Walk on the wild side“. Wie könnte der Abend jetzt harmonischer enden als mit einer Zugabe von „Imagine“ von John Lennon? Das Meer, der Abend, das Bier und ich sind eine versöhnte Einheit.

 

Menschen tanzen auf der Straße.